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Der Tod des eigenen Vaters

 

Wie geht der Mensch mit den Schmerzen des Verlustes um, wie verarbeitet er den Tod eines geliebten Menschen?

 

„Ich stand von dem Stuhl auf, der neben seinem Bett stand, „Bis morgen“, sagte ich zum Abschied, wohl wissend, dass es keinen Morgen mehr geben würde im Leben meines Vaters“, erzählt Stella, den Blick starr auf die weiße Wand gerichtet.

Wie fühlt es sich an eine geliebte Person zu verlieren? Diese Frage beantwortet das junge Mädchen, das vor zwei Jahren ihren Vater, der im Alter von 49 Jahren an Lungenkrebs verstarb, mit den Worten: „Dieses Gefühl lässt sich nicht in Worten beschreiben.“

Ich lud die heute 16-jährige Schülerin zu einem Gespräch ein. Sie erzählte mir ihre Geschichte. „Ich erfuhr von der Krankheit meines Vaters erst sehr spät. Meine Eltern waren schon seit mehreren Jahren getrennt, ich sah ihn daher nur sehr selten. Er verschwieg uns seine Krankheit bis zu dem Tag, an dem er ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Der Krebs war zu dieser Zeit schon im letzten Stadium, die Ärzte sagten, jegliche Hilfe käme zu spät und ihm bliebe nicht mehr viel Zeit. Ich besuchte ihn jeden Tag, saß stundenlang an seinem Bett bis er wenige Tage später dann verstarb.“

Viele Kinder und Jugendliche erleben schon im frühen Alter den Verlust einer wichtigen Bezugsperson wie einem Elternteil, Geschwisterkind oder den Großeltern. Häufige Ursachen für den frühzeitigen Tod sind Krebs oder Krankheiten des Kreislaufsystems. Auch Verkehrsunfälle sind häufig für den frühen Tod verantwortlich. Jährlich sterben rund 850.000 Menschen in Deutschland, doch wie bewältigen die Angehörigen die Schmerzen des Verlustes, wie verarbeitet der Mensch ein solches Ereignis?

Ich bin erstaunt darüber, wie offen Stella über dieses Thema spricht und frage sie daher, ob sie den Tod mittlerweile akzeptiert hat und wie es ihr damit geht. Ihre ehrliche Antwort daraufhin erstaunt mich umso mehr: „Nein, ich werde es niemals akzeptieren. Doch mit der Zeit habe ich gelernt damit zu leben. Momentan geht es mir gut, doch das kann sich immer ändern. Die Erinnerung und der damit verbundene psychische Schmerz begegnen mir ständig im Alltag.“

Laut verschiedener Studien verarbeitet jeder Mensch den Tod anders. Jeder erlebt Trauer auf seine eigene Weise und in seinem eigenen Tempo. Trauer betrifft die Seele und den Körper. Der Mensch leidet unter Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, Nervosität, tiefer Erschöpfung Kopf-, Herz- oder Gliederschmerzen. Der amerikanische Trauerforscher George A. Bonanno ordnet Trauer als Stressreaktion ein. Permanente Trauer sei, laut ihm, nicht auszuhalten, deshalb verlaufe diese in einer Art Wellenbewegung. In einem Moment tauche der Mensch ab um sich den Schmerzen des Verlustes zu widmen, im Anderen sei er wieder in der Gegenwart und beschäftige sich mit dem direkten Lebensumfeld, den Menschen, der Realität, in der er sich befinde.

Zum Abschluss des Gespräches frage ich Stella, wie ihr Leben sich nach dem Tod ihres Vaters verändert hat. Daraufhin berichtet sie mir: „Für mich persönlich hat sich nicht viel geändert, abgesehen davon, dass ich sehr viel sensibler auf das Thema „Eltern“ reagiere. Es macht mich traurig, wenn meine Freunde vom letzten Urlaub mit ihren Eltern schwärmen oder wenn eine unwissende Person mich nach meinem Vater fragt, aber ich denke, das ist normal. Außerdem schätze ich das Zusammensein mit meiner Familie mehr als vorher. Trotz allem bin ich sehr dankbar für mein Leben und ich glaube, hätte ich dieses prägende Ereignis nicht erlebt, wäre ich heute nicht die Person, die ich bin. Das Leben geht weiter, das möchte ich jedem ans Herz legen, der gerade vielleicht eine ähnlich schwierige Zeit durchmacht.“

Ich bedanke mich bei Stella für ihre aufrichtigen Erzählungen und wünsche ihr alles Gute für die Zukunft. Mit einem Lächeln verabschiedet sich das Mädchen und schließt die Tür hinter sich.

A.W.

 

Quelle:http://www.br.de/themen/ratgeber/inhalt/familie/tod-trauer-schmerz-100.html

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